§ 12. Es giebt heut zu Tage gewisse Passagen, wo der Ausdruck von einem geschickten Componisten auf eine ganz besondere ungewöhnliche und unverhofte Art angebracht wird, welches nicht ieder errathen würde, wenn es nicht angezeiget wäre. Z. E.

Ex 6-12

Denn hier fällt der Ausdruck und die Stärke des Tones auf das letzte Viertheil des Tactes, und das erste Viertheil des folgenden Tactes wird ganz still und ohne Nachdruck daran gehalten. Man unterscheide also diese beyde Noten keineswegs durch ein Nachdrücken mit dem Geigebogen; sondern man spiele sie, als wenn sie nur eine halbe Note wären.

Petite digression sur les Accompagnemens

Chaque partie d’Accompagnement peut jouer tour-à-tour le rôle d’interlocuteur; mais le plus souvent les Accompagnemens ne sont que les diverses parties du même individu dont le chant est la figure. Ce que cette figure, qui ne doit jamais être insignifiante, ne peut dire toute seule, même avec le secours si puissant de la parole, les Accompagnemens l’aident à l’exprimer. Tantôt ils tracent à leur manière le lieu de la scène; enfin ils remettent sous les yeux de l’auditeur, ou, pour parler sans figure, ils rappellent à son esprit, par le sens de l’oreille, tout ce qui peut lui faire prendre un plus grand intérêt à ce qu’on lui expose. Ils peignent sur-tout l’état où l’acteur[1] se trouve, son calme, son agitation, ses emportemens, sa douleur, ses plaisirs, sa tristesse, sa joie, son indifférence, son amour ou sa haine. Par fois, ils semblent former la suite d’un grand personnage, l’escorte d’un héros. D’après cela, on ne peut douter qu’un bon opéra ne fasse plus d’impression qu’une tragédie d’égale force qui ne serait que déclamée, en supposant toutefois que les auditeurs sont également propres à bien comprendre l’un et l’autre.

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[1] Le mot acteur n’est pas pris ici pour celui qui représente au théâtre ce qui est censé arrive ailleurs, mais il signifie celui qui fait l’action.

Itzt zerschmelzen wir in Wehmut, und auf einmal sollen wir rasen. Wie? warum? wider wen? wider eben den, fuer den unsere Seele ganz mitleidiges Gefuehl war? oder wider einen andern? Alles das kann die Musik nicht bestimmen; sie laesst uns in Ungewissheit und Verwirrung; wir empfinden, ohne eine richtige Folge unserer Empfindungen wahrzunehmen; wir empfinden wie im Traume; und alle diese unordentliche Empfindungen sind mehr abmattend als ergoetzend.

[Quoting Karl Holz recounting a conversation with Beethoven about the op. 130 quartet:] Als er das B Quartett beendigt hatte, sagte ich, daß ich es doch für das größte von den dreien (op. 127, 130, 132) halte. Er anwortete: “jedes in seiner Art! Die Kunst will es von uns, daß wir,[”] so sprach er häufig scherhaft im Kaiserstyle, [“]nicht stehen bleiben. Sie werden eine neue Art der Stimmführung bemerken[“] (hiermit ist die Instrumentirung, die Vertheilung der Rollen gemeint) [“]und an Fantasie fehlt’s, Gottlob, weniger als je zuvor.’”

Hierauf setzte sie sich ans Piano, auf dem sie Meisterin war, spielte einiges von Mozart, und da sie meinte Vorliebe für den großen Tonkünstler kannte, so erzählte sie mir folgende Anecdote, die, so wie mich, gewiß jeden Verehrer Mozarts ansprechen dürfte, und die ich mit der Dichterin eigenen Worten hier wieder erzähle. “Als ich einst,” sprach sie, “am Flügel saß, und das Non più andrai aus ‘Figaro’ spielte, trat Mozart, der sich gerade bei uns befand, hinter mich, und ich mußte es ihm wohl Recht machen, denn er brummte die Melodie mit und schlug den Tact auf meine Schultern; plötzlich aber rückte er sich einen Stuhl heran, setzte sich, hieß mich im Basse fortspielen und begann so wunderschön aus dem Stegreife zu variiren, daß Alles mit angehaltenem Athem den Tönen des deutschen Orpheus lauschte. Auf einmal aber ward ihm das Ding zuwider, er fuhr auf und begann in seiner närrischen Laune, wie er es öfters machte, über Tisch und Sessel zu springen, wie eine Katze zu miauen, und wie ein ausgelassener Junge Purzelbäume zu schlagen.” So erzählte sie [i.e., Karoline Pichler].

Von dem Quatuor.

§ 118. Das Quatuor, anjezt das Lieblingsstück kleiner musikalischen Gesellschaften, wird von den neuern Tonsetzern sehr fleitzig bearbeitet.

{326} Wenn es wirklich aus vier obligaten Stimmen bestehen soll, von denen keine der andern das Vorrecht der Hauptstimme streitig machen kann, so muß der Hauptstimme streitig machen kann, so muß es nach Art der Fuge behandelt werden.

Weil aber die modernen Quartetten in der galanten Schreibart gesezt werden, so muß man sich an vier solchen Hauptstimmen begnügen, die wechselweise herrschend sind, und von denen bald diese, bald jene den in Tonstücken von galantem Stiele [sic] gewöhnlichen Baß macht.

Während aber sich eine dieser Stimmen mit dem Vortrage der Hauptmelodie beschäftiget, müssen die beyden andern, in zusammen hängenden Melodien, welche den Ausdruck begünstigen, fortgehen, ohne die Hauptmelodie zu verdunkeln. Hieraus siehet man, daß das Quatuor eine der allerschweresten Arten der Tonstücke ist, woran sich nur der völlig ausgebildete, und durch viele Ausarbeitungen erfahrne Tonsetzer wagen darf.

Unter den neuern Tonsetzern haben Haydn, Pleyl [sic] und Hofmeister am mehresten das Publikum mit dieser Gattung der Sonaten bereichert. Auch der sel. Mozard [sic] hat in Wien sechs Quartetten für zwey Violinen, Viole und Violoncell unter einer Zuschrift an Haydn stechen lassen, die unter allen modernen vierstimmigen {327} Sonaten, am mehresten dem Begriffe eines eigentlichen Quatuor entsprechen, und die wegen ihrer eigenthümlichen Vermischung des gebundenen und freyen Stils, und wegen der Behandlung der Harmonie einzig in ihrer Art sind.

Von der Sonate.

§ 108. Die Sonate mit ihren Abarten, dem Duett, Trio und Quatuor hat keinen bestimmten Charakter, sondern die Haupttheile, woraus sie bestehet, nemlich ihr Adagio und beyde Allegro können jeden Charakter, jeden Ausdruck annehmen, den die Tonkunst zu schildern fähig ist. “Der Tonsetzer (sagt Sulzer [Doc. #34]) kann bey einer Sonate die Absicht haben, in Tönen der Traurigkeit, des Jammers, oder Zärtlichkeit, oder des Vergnügens und der Fröhlichkeit ein Monolog auszudrücken; oder ein empfindsames Gespräch in blos leidenschaftlichen Tönen unter gleichen, oder von einander abstechenden Charakteren zu unterhalten; oder blos heftige, stürmende, contrastirende, oder leicht und sanft fortfließende ergözende Gemüthsbewegungen zu schildern.“

Weil bey dem Vortrage der Sonaten die Hauptstimmen nur einfach besetzt werden, so muß {316} sich die Melodie der Sonate gegen die Melodie der Sinfonie eben so verhalten, wie die Melodie der Arie sich gegen die Melodie des Chors verhält, das ist, die Melodie der Sonata, weil sie die Empfindungen einzelner Personen schildert, muß höchst ausgebildet seyn, und gleichsam die feinsten Nuançen der Empfindungen darstellen; da hingegen die Melodie der Sinfonie sich nicht durch solche Feinheiten des Ausdruckes; sondern durch Kraft und Nachdruck auszeichnen muß. Kurz, die Empfindungen müssen anders in der Sonate, und anders in der Sinfonie dargestellet und modificirt werden.

Die Sonaten sind entweder zwey oder mehrstimmig. Die zweystimmige Sonate enthält entweder nur eine Hauptstimme, die von einer begleitenden Grundstimme unterstüzt wird, oder die beyden Stimmen sind so beschaffen, daß sie an der Melodie gleich viel Antheil haben, und mit gleichem Rechte als Hauptstimmen betrachtet werden müssen, und diese Art Sonaten pflegt man insbesondere ein Duet zu nennen. Enthält aber die Sonate nur eine Hauptstimme, die von einer Grundstimme unterstüzt wird, so pflegt man, wenn sie für ein solches Instrument gesezt ist, auf welchem beyde Stimmen zugleich vorgetragen werden können, wie z. B. {293} auf dem Clavier oder der Harmonika, die allgemeine Benennung Sonate beyzubehalten; ist sie aber für Instrumente gesezt, auf welchen nur die Hauptstimme allein vorgetragen werden kann, wie z. B. auf der Flöte, Violine, u. dergl. so ist man gewohnt, sie insbesondere ein Solo zu nennen. Die mehrstimmigen Sonaten erhalten ihren bestimmten Namen von der Anzahl der Stimmen, die sie enthalten; daher nennet man die drey, vier, und mehrstimmige Sonate ein Trio, Quatuor und Quintett.

Sonate. Die allgemeine Benennung solcher zwey-, drey- oder mehrstimmigen Instrumentalstücke, die aus etlichen ausgeführten Theilen von ausgeführten Theilen von verschiedenem Charakter bestehen, und in welchen die Empfindungen eines einzigen Menschen, oder verschiedener einzelnen Personen[1] ausgedrückt werden, daher man auch bey dem Vortrage derselben jede Stimme nur einfach zu besetzen pflegt.

Soll jeder Theil einer Sonate einen sich auszeichnenden Charakter, oder den Ausdruck einer bestimmten Empfindung enthalten, so kann er nicht aus solchen locker an einander gereiheten einzelnen melodischen Theilen bestehen, die zusammen, so wie es z. B. gemeiniglich in dem so genannten Divertimento geschieht, ein solches Ganzes ausmachen, welches {1416} bloß ein liebliches Gemisch der Töne für unser Ohr, oder ein solches unbestimmtes Tongemälde enthält, woraus sich unsere Einbildungskraft schaffen kann, was ihr unter den lokalen Verhältnissen am beliebtesten ist, sondern ein solcher Theil einer Sonate muß, wenn er einen bestimmten und durchgehaltenen Charakter behaupten soll, aus völlig in einander greifenden und zusammenhängen melodischen Theilen bestehen, die sich auf das fühlbareste aus einander entwickeln, damit die Einheit und der Charakter des Ganzen erhalten, und die Vorstellung, oder vielmehr die Empfindung, nicht auf Abwege geleitet werde.

Jedes ausgeführte Tonstück von bestimmtem Charakter, das ist, jedes Tonstück, welches eine bestimmte Empfindung ausdrücken soll, hat nicht bloß die Absicht, gleichsam nur den Nerven dieser Empfindung zu rühren, sondern der Zweck desselben ist, die auszudrückende Empfindung bis zu einem gewissen Grade der Sättigung oder bis zu einem gewissen Grade der Ausgießung des Herzens darzustellen. Soll dieses geschehen, und soll zugleich das Herz der Zuhörer an dem Ausdrucke dieser Empfindung und ihrer Modifikationen Antheil nehmen, so muß der Stoff und die Form, in welche er gebracht wird, so anziehend seyn, daß beyde ein sich immer mehr erhöhendes Interesse gewähren. Es ist daher bey der Sonate nicht genug, daß der Hauptsatz oder das Thema eines jeden Theils derselben den Ausdruck einer bestimmten Empfindung enthalte, sondern er muß auch, um den Stoff zu Fortdauer dieser Empfindung zu erhalten, mit den damit in Verbindung gebrachten Nebengedanken immer in neuen und interessanten Wendungen und Verbindungen zum Vorscheine kommen, damit der Verfolg des Ganzen die Aufmerksamkeit feßle, und der Ausdruck der Empfindung in {1417} allen ihren Modifikationen für unser Herz Interesse gewinne.

Die Möglichkeit, dieses Interesse und einen bestimmten Charakter in die Sonate, als ein bloßes Instrumentalstück, zu legen, ist schon längst durch C. Ph. E. Bachs Sonaten erwiesen, und in Haydns und Mozarts Werken dieser Art findet man neuere Belege für diese Behauptung. “Der Tonsetzer” (sagt Sulzer)[2] “kann bey einer Sonate die Absicht haben, in Tönen der Traurigkeit, des Jammers, des Schmerzens, oder der Zärtlichkeit, oder des Vergnügens und der Fröhlichkeit ein Monolog auszudrücken; oder ein empfindsames Gespräch in bloß leidenschaftlichen Tönen unter gleichen, oder von einander abstehenden Charakteren zu unterhalten; oder bloß heftige, stürmende, oder contrastirende, oder leicht und sanft fortfließende ergötzende Gemüthsbewegungen zu schildern.”

Die Sonate begreift nach der Anzahl der verschiedenen dabey vorhandenen Stimmen, und nach der verschiedenen Behandlungsart dieser Stimmen, in wie ferne sie sich nemlich als Hauptstimen behaupten, verschiedene Gattungen unter sich, die man mit den Namen Solo, Duett, Trio, Quartett u.s.w. bezeichnet. Von jeder dieser Gattungen wird in einem besondern Artikel gehandelt.

Unter allen Tonstücken für bloße Instrumentalmusik ist die Sonate von den Tonsetzern am fleißigsten bearbeitet worden, es sey nun, daß sie, nach Sulzers Meinung, den ersten Rang unter den Instrumentalstücken wirklich behauptet, oder es sey, daß es deswegen geschehen ist, weil sie wegen der Einfachheit der Besetzung der Stimmen auch zum Privatvergnügen kleiner Zirkel geeignet ist.

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[1] Es werden nemlich in der zweystimmigen Sonate, in welcher eine Hauptstimme von einer Grundstimme begleitet wird, das ist, in welcher nur eine Hauptstimme vorhanden ist, nur die Empfindungen einer einzigen Person, in derjenigen zwey-[,] drey- oder vierstimmigen Sonate aber, in welchen zwey, drey oder vier Hauptstimmigen enthalten sind, die Empfindungen eben so vieler einzelnen Personen ausgedrückt.

[2] S. dessen allgem. Theorie der schönen Künste, in dem Artikel Sonate [Doc. #34]

 

Quatuor. Dieses schon seit geraumer Zeit so beliebte Instrumentalstück für vier Instrumente macht eine besondere Gattung der Sonate aus, und bestehet im engern Sinne des Wortes aus vier concertirenden Hauptstimmen, von denen keine der andern das Vorrecht einer Hauptstimme streitig machen kann. Soll jedoch dieses ohne Verwirrung und melodische Ueberhäufungen des Ganzen geschehen können, so muß das Quatuor in diesem strengern Sinne genommen, nach Art der Fuge behandelt, oder durchgehends in der strengen Schreibart gesetzt werden. In dem modernen Quatuor bedient man sich jedoch lieber größtentheils des freyen Styls, und begnügt sich an vier Hauptstimmen, die wechselsweis herrschend sind, und von denen bald diese, bald jene den in Tonstücken von galantem Style gewöhnlichen {1210} Baß macht. Indem sich aber eine dieser Stimme mit dem Vortrage der Hauptmelodie beschäftiget, müssen die beyden andern, in zusammenhängender Melodie, welche den Ausdruck begünstigt, fortgehen, ohne die Hauptmelodie zu verdunkeln. Hieraus siehet man schon von selbst, daß die Bearbeitung dieses Tonstückes einen Tonsetzer erfordert, dem es weder an Genie, noch an den ausgebreitetsten Kenntnissen der Harmonie, mangelt.

Das Quatuor ist übrigens (wenn man nemlich die zwey- und dreystimmigen Sonaten für Claviatur-Instrumente ausnimmt) diejenige Gattung der Sonate, die seit ohngefähr vierzig Jahren am allerfleißigsten bearbeitet worden ist, wozu ohne Zweifel Haydns Meisterwerke dieser Gattung das mehreste beygetragen haben. Unter allen bis jetzt bekannten Tonstücken dieser Art entsprechen (noch außer ihren ästhetischen Schönheiten,) die vierstimmigen Sonaten von Mozart am mehresten dem Begriffe eines Tonstückes von vier obligaten Hauptstimmen.

Oft pflegt man das Quatuor, so wie das Tonstück für vier concertirende Singstimmen, auch Quartett zu nennen.