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22. Neuer Versuch einer Darstellung des gesammten Musikwesens in Wien” in Allgemeine musikalische Zeitung (Leipzig) 3, no. 38 (June 17, 1801): cols. 638–39.

Bey der Menge von Musikliebhabern, welche man in Wien findet, ist es sehr natürlich, dass {639} viele darunter mittelmässig, und viele noch weniger, als mittelmässig, sind. Indefs glaube ich, dass man nirgends so viele grosse Dilettanten auf allen Instrumenten antreffen wird, welche sich nicht mit Unrecht Virtuosen nennen könnten. Etwas Musik zu lernen, gehört zur anständigen Erziehung. Meistens aus solchen Liebhabern der Musik, oder auch in den Häusern, wo man Musik nur gern hat, bilden sich die – im Vergleich mit den meisten Städten Deutschlands, häufigen Privatakademien. So nennet man Gesellschaften wo zuweilen (doch jezt seltner) grössere Instrumentalmusiken, gemeiniglich aber Quartetten und Quintetten gegeben werden. Nach Verschiedenheit der Musiker sind natürlicher Weise diese Produktionen gut, mittelmässig, oder auch noch weniger, als dies. Nach Maasgabe der musikalischen Bildung wählt man natürlich auch die Kompositionen. Da ist es denn, wie überall: die Gebildeten lieben das Gute, kann es zugleich neu seyn – desto besser, und mit Recht; die weniger Gebildeten lieben das Neue, kann es zugleich gut seyn – desto besser. Aber die Gelegenheit, so viel und so oft gute Musik zu hören, bildet selbst in den wenig Unterrichteten einen gewissen richtigen Takt des dunkeln Gefühls, dass auch sie sich selten ganz vergreifen. Unter den Komponisten, welche von den mehr Gebildeten am meisten geschäzt und am öftersten benuzt werden, steht Haydn mit Recht oben an; und ich fordere jeden, der in den besten Häusern Zutritt gehabt hat, auf, mich, wenn er kann, zu widerlegen, indem ich behaupte dass man Haydns und einiger anderer verdienter Instrumentalkomponisten Quartetten nirgends besser, und an den meisten bedeutenden Orten nicht so richtig, fein und schön ausführen hört, als in Wien.