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39. “Ueber die neuste Favorit-Musik in großen Concerten sonderlich in Rücksicht auf Damen-Kunst, in Clavier-Liebhaberey (An die Herausgeber des Journals).” Journal des Luxus und der Moden (Weimar) (June 1788): 231–33.

Jetzt nur ein paar Worte über ein bizarres Phänomen, das er (oder seine Berühmtheit) veranlaßt. Es kam vor einiger Zeit ein einzelnes Quadro, (für Clavier, 1. Violine, 1. Viola (Bratsche) und Violoncell) gestochen heraus, welches sehr künstlich gesetzt ist, im Vortrage die äusserste Präcision aller vier Stimmen erfordert, aber auch bey glücklicher Ausführung doch nur, wie es scheint, Kenner der Tonkunst in einer Musica di Camera vergnügen kann und soll. Der Ruf: “Mozart hat ein neues gar besonderes Quadro gesetzt, und die und die Fürstin und Gräfin besitzt es und spielt es!” – verbreitete sich bald, reizte die Neugier und veranlaßte die Unbesonnenheit, diese originelle Composition in großen lärmenden Concerten zu produciren, und sich damit, invita Minerva, zum Prunk hören zu lassen. Manches andere Stück soutenirt {232} sich auch noch bei einem mittelmäßigen Vortrag; dieses Mozartsche Produkt aber ist würklich kaum anzuhören, wenn es unter mittelmäßige Dilettanten-hände fällt, und vernachlässigt vorgetragen wird. – Dies ist nun im vorigen Winter unzähligemal geschehen; beynahe wo ich auf meiner Reise hinkam, und in einige Concerte eingeführt wurde, kam ein Fräulein, oder eine stolzirende bürgerliche Demoiselle, oder sonst ein naseweiser Dilettant in rauschender Gesellschaft mit diesem Quadro angestochen und prätendirte, daß es goutirt würde. Es konnte nicht gefallen; alles gähnte vor Langerweile über dem unverständlichen Tintamarre von 4 Instrumenten, die nicht in vier Takten zusammen paßten und bey deren widersinnigem Concentu an keine Einheit der Empfindung zu denken war; aber es mußte gefallen, es mußte gelobt werden! Mit welchem Eigensinne man dies beynahe allerwärts zu erzwingen gesucht hat, kann ich Ihnen kaum beschreiben. Diese Thorheit eine ephemerische Manie du jour zu schelten, sagt zu wenig, weil sie fast einen ganzen Winter hindurch gewährt, und sich, (nach allem dem, was ich noch nebenzu Erzählungsweise vernommen habe) viel zu wiederholt gezeigt hat. Sie verdient eine öffentliche Rüge in Ihren Blättern, wo so manche andre Mode-Thorheit, und schiefe Ostentation dergleichen ebenfalls mit Recht bisher erhalten hat. Denn in der That ist diese unschickliche Vordringlichkeit nicht nur unanständig, und nicht nur ohne Nutzen und Frommen, sondern sie schadet auch der Kunst Verbreitung des ächten Geschmacks.” “Ists nichts weiter als das?” (denkt der halbgelehrte Zuhörer der Musik) “das soll in Vortrefflichkeit an die Extreme der Kunst gränzen? Und ich fühle, doch Versuchung mir {233} öfters die Ohren dabey zuzuhalten? Wie reimt sich das? Weiß ich auch nur zuletzt, was ich aufrichtig in Musik loben oder tadeln darf?” – So verleidet man wahre Musik-Liehaberey, macht den gesunden Menschenverstand und gesundes Natur-Gefühl irre, und hindert dies jenige Geradheit und Gründlichkeit in Cultur, ohne welche doch keine Kunst zu haltbarer Höhe jemals emporsteigt. Welch ein Unterschied, wenn dieses vielbemeldete Kunstwerk von vier geschickten Musikern, die es wohl studirt haben, in einem stillen Zimmer, wo auch die Suspension jeder Note dem lauschenden Ohr nicht entgeht, nur in Gegenwart von zwey oder drey aufmerksamen Personen, höchst präcis vorgetragen wird! Aber freylich ist hierbey an keinen Eclat, an keinen glänzenden Mode-Beyfall zu denken, noch conventionelles Lob zu lucriren!