§ 44. Ein Quatuor, oder eine Sonate mit drey concertirenden Instumenten, und einer Grundstimme, ist eigentlich der Probierstein eines echten Contrapunctisten; aber auch eine Gelegenheit, wobey mancher, der in seiner Wissenschaft nicht recht gegründet ist, zu Falle kommen kann. Der Gebrauch davon ist noch niemals sehr gemein geworden; folglich kann er auch nicht allen so gar bekannt seyn. Es ist zu befürchten, daß endlich diese Art von Musik das Schicksal der verlohrenen Künste werde erfahren müssen. Zu einem guten Quatuor gehöret:
(1) ein reiner vierstimmiger Satz;
(2) ein harmonischer guter Gesang;
(3) richtige und kurze Imitationen;
(4) eine mit vieler Beurtheilung angestellete Vermischung der concertirenden Instrumente;
(5) eine recht baßmäßige Grundstimme;
(6) solche Gedanken die man mit einander umkehren kann, nämlich, daß man sowohl darüber als darunter bauen könne; wobey die Mittelstimmen zum wenigsten einen leidlichen, und nicht misfälligen Gesang behalten müssen.
(7) Man muß nicht bemerken können, ob diese oder jene Stimme den Vorzug habe.
(8) Eine jede Stimme muß, wenn sie pausiret hat, nicht als eine Mittelstimme, sondern als eine Hauptstimme mit einem gefälligen Gesange wieder eintreten: doch ist dieses nicht von der Grundstimme, sondern nur von dreyen concertirenden Oberstimmen zu verstehen.
(9) Wenn eine Fuge vorkömmt; so muß dieselbe, mit aller Stimmen, nach allen Regeln, meisterhaft, doch aber dabey schmackhaft ausgeführet seyn.
Sechs gewisse Quatuor für unterschiedene Instrumente, meistentheils Flöte, Hoboe, und Violine, welche Herr Telemann schon vor ziemlich langer Zeit gesetzet hat, die aber nicht in Kupfer gestochen worden sind, können, in dieser Art von Musik, vorzüglich schöne Muster abgeben.